Aus drei guten Gründen empfiehlt sich die Lektüre der Lebensgeschichte des Benvenuto Cellini: Erstens ist sie literatur- und mentalitätsgeschichtlich spannend, weil sie die autobiographische Rekonstruktion eines Renaissancemenschen zeigt. Zweitens enthält man faszinierende sozialgeschichtliche Einblicke in die italienische Kunstszene des 16. Jahrhunderts. Drittens schließlich übersetzte Goethe das umfangreiche Werk, allerdings nicht aus dem toskanischen Original, sondern anhand der englischen Übersetzung.
Benvenuto Cellini (1500 – 1571) gilt als einer der besten Goldschmiede und Skulpteure des 16. Jahrhunderts, wovon sich jeder in Wien im Kunsthistorischen Museum selbst überzeugen kann, wo seine berühmte Saliera steht. Seine Lebensbeschreibung schreibt Cellini zwischen 1558 und 1566. Erschienen ist sie allerdings erst 1728. Als Kind setzt er sich gegen seinen Vater durch, der ihn gerne als Musiker gesehen hätte, und wird Goldschmied. Seine große Begabung verschafft ihm schnell reiche Gönner, darunter Adlige und Päpste. Zwei Jahre lang ist er in Paris für König Franz I. tätig, verlässt aber vor Fertigstellung seines Auftrags entnervt Frankreich, weil ihn die Hofschranzen quälen.
Wer nun die Autobiographie eines wohl erzogenen Höflings erwartet: Weit gefehlt! Cellini ist ständig in Händel und Abenteuer verwickelt. Besonderes Vergnügen findet er an Raufereien und dem einen oder anderen Totschlag. Keine Überraschung also, dass er zwei Mal in vatikanischen Gefängnissen landet. Die Beschreibung dieser Ereignisse scheinen dem Autor mehr Spaß zu machen als die Beschreibung seiner Kunstwerke. Freilich schildert er die Rivalitäten unter den damaligen Künstlern ebenso extensiv. Es wird heftig um Aufträge und den Rang in der Künstler-Hackordnung gestritten. Es öffnet sich ein faszinierendes Panorama des 16. Jahrhunderts.
Damit ist diese Künstlerautobiographie ein einzigartiges Dokument. Kein Wunder, dass Goethe dafür ein so großes Interesse entwickelt:
Ich bin bei dieser Gelegenheit auch wieder an die des Cellini Lebensbeschreibung geraten; es scheint mir unmöglich, einen Auszug daraus zu machen, denn was ist das menschliche Leben im Auszuge? Alle pragmatische biographische Charakteristik muß sich vor dem naiven Detail eines bedeutenden Lebens verkriechen. Ich will nun den Versuch einer Übersetzung machen, die aber schwerer ist, als man glaubt.
[An Johann Heinrich Meyer am 8. Februar 1796]
Er übersetzt das Buch 1796 freilich in ein Werk Goethes. Vom rauen Charme des toskanischen Originals bleibt in dieser stilistisch polierten Fassung nichts mehr übrig. Goethefreunde werden diese Übersetzung natürlich lesen. Ansonsten sollte entweder ein solides kunsthistorisches Interesse oder Freude an Kuriositäten vorhanden sein, wenn man diese Lebensbeschreibung zur Hand nehmen will.
Cellini / Goethe (Übersetzer): Das Leben des Benvenuto Cellini (Münchner Ausgabe)