Die letzte Woche meines Urlaubs war rund um dieses Mammutwerk organisiert. Der enorme Zeitaufwand für die Lektüre hat sich allerdings gelohnt, trotz einiger Einwände, die Doderers literarische Leistung nur wenig schmälern.
Diese besteht vor allem in der Schaffung eines riesigen doppelbödigen fiktionalen Kosmos samt mehreren Dutzend höchst lebendig geschilderten Charakteren und der Verknüpfung der verschiedensten Handlungsstränge, in die sie involviert sind. Hier setzt jedoch ein erster Kritikpunkt ein, denn diese Verknüpfung beschränkt sich überwiegend auf semantische Elemente und bleibt dadurch gewissermaßen an der Oberfläche der Handlung angesiedelt. Andere ästhetisch-strukturelle Mittel setzt Doderer nur sehr sporadisch ein – im Gegensatz zur „Strudlhofstiege“, das als Kunstwerk gelungener ist, auch wenn „Die Dämonen“ sprachlich ebenfalls positiv von der Sprachmacht des Autors profitieren.
Disparatheit ist für einen Roman der Moderne nichts Ungewöhnliches, aber modern in diesem Sinn sind „Die Dämonen“ nicht, da entsprechende Erzähltechniken nur sehr begrenzt Verwendung finden. Disparat im inhaltlichen Sinn sind die politischen Bedeutungsebenen des Werks, die durch die lange Entstehungsgeschichte bedingt sind, während der sich Doderers politisches Weltbild wandelte. Neben konservativen Elementen – so wird für den Brand des Justizpalastes das Subproletariat verantwortlich gemacht, nicht die „richtigen“ Arbeiter – gibt es eine humanistische Utopie: Leonhard Kakabsa, entdeckt als Arbeiter die Bildung, eignet sich autodidaktisch Latein an und betritt nach und nach die Welt des Geistes.
Bei der Lektüre spürt man (vor allem im ersten Teil) die eine oder andere Länge und fragt sich, ob diese oder jene gesellschaftliche Zusammenkunft wirklich so ausführlich hatte geschildert werden müssen. Angesichts der anderen Qualitäten nimmt man sie aber gerne in Kauf.
Doderer: Die Dämonen (dtv)