Immer noch bin ich mir unschlüssig darüber, ob es faszinierend oder doch eher deprimierend ist, wie wenig sich menschliche Verhaltensweisen in den – sagen wir einmal – letzten 2500 Jahren verändert haben. So passt folgende Empfehlung aus dem siebten Brief Platons erschreckend genau auf den Nahost-Konflikt:
[…] dann muss ein jeder, dem göttliche Gnade auch nur ein Fünkchen richtiger Einsicht beschieden hat, sich sagen, daß an ein Ende der unseligen Leiden für die an diesen Aufruhrbewegungen Beteiligten nicht zu denken ist, ehe nicht folgender Grundsatz zur Herrschaft gelangt:
Die in den Kämpfen obsiegende Partei muss sich lossagen von der leidigen Gewohnheit durch Verbannungen und Hinrichtungen ihren feindseligen Gefühlen Ausdruck zu geben und die Rache an den Feinden zu ihrer Aufgabe zu machen; vielmehr müssen die Sieger lernen sich selbst zu beherrschen und müssen Gesetze geben, die allen zugute kommen und nicht weniger den Interessen der Besiegten als dem eigenen Interesse dienen. [Platon, Siebenter Brief 337 St.]
Natürlich wird diese Einsicht heute von Israels Regierenden ebensowenig beherzigt wie damals von Platons Landsleuten an die er diese Worte richtete. Das Zitat belegt auch, dass der explizite Verzicht auf Rache, nicht erst durch das Christentum vertreten wurde. Diese Form der rationalen Konfliktlösung durch Interessenausgleich ist dem naiven Kinderglauben des Neuen Testaments selbstverständlich vorzuziehen und zeigt wieder einmal die Regressivität des christlichen Denkens.