Paulus Hochgatterer: Caretta Caretta

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Erlaubt man sich einen simplifizierenden Blick auf die österreichische Gegenwartsliteratur, so lassen sich unschwer zwei Richtungen ausmachen: Gelungenes sprachlich-experimentelles, also „materialbewusstes“ Schreiben (Jelinek, Franzobel, Fian und wie sie alle heißen) auf der einen, gut gemeintes (Menasse) langweiliges (Köhlmeier), schlicht schlechtes (Martin Amanshauser) oder schmerzhaft peinliches (Robert Schneider, der „Kunigunde die Hirschkuh“ zur unvergesslichen Heldin machte) „Erzählen“ auf der anderen Seite.

Hochgatterer nun ist hier eine Ausnahme: Er schreibt nicht experimentell und legt doch literarisch spannende Werke vor. Dabei schöpft er aus dem Fundus seiner Erfahrung als in Wien tätiger Kinder- und Jugendpsychiater. Der Held von „Caretta Caretta“ ein Wiener Strichjunge, der aus seinem Alltag ausbricht und einen todkranken „Klienten“ in die Türkei begleitet. Nach dem Erscheinen des Buches war sofort von „Entwicklungsroman“ die Rede, ein klassischer Pawlowscher Reflex der deutschsprachigen Literaturkritik, obwohl es Hochgatterer wohlweislich am Ende offen läßt, ob Dominiks Leben eine positive Wende nehmen wird.

Die literarische Kunst Hochgatteres läßt sich an zwei Punkten festmachen: Er beherrscht die Technik des Aussparens perfekt. Gerade die traumatischen Erlebnisse des Jungen leuchten immer nur kurz aber eindrücklich auf, die „Leerstellen“ sind virtuos gesetzt. Hinzukommt das erstaunlich genaue Treffen des Tons, denn der Roman ist aus der Ich-Perspektive des Protagonisten erzählt, bekanntlich ein heikles Unterfangen. Bis auf ein paar Ausrutscher gelingt es Hochgatterer, die Erzählsituation plausibel zu gestalten. Eine Empfehlung.

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