Empirismus im Mittelalter

Das Mittelalter gehört zu den Epochen, die in der Öffentlichkeit am undifferenziertesten behandelt werden, was schon am gerne verwendeten Attribut „dunkel“ zum Ausdruck kommt. Dabei gab es im Mittelalter eine Reihe von „modernen“ Denkern, Roger Bacon etwa, oder William von Ockham.

Eine Ausnahmeerscheinung ebenfalls Friedrich der Staufer (1194-1250), dessen empirischer Wissensfuror weit über seine Zeit hinauswies. Während die kolportierten (zum Teil ziemlich grausamen) Experimente mit Menschen nicht nachweisbar sind und vermutlich auf kaiserfeindliche Greuelpropaganda zurückgehen, liegt mit Friedrichs Falkenbuch ein höchst erstaunliches wissenschaftshistorisches Dokument vor: vermutlich die erste empirische wissenschaftliche Publikation in Europa, die diese Bezeichnung berechtigterweise trägt.

Während die Traditionsgläubigkeit (fast) das komplette geistige Leben beherrscht, kritisiert Friedrich die zoologischen Untersuchungsmethoden des Aristoteles:

Beim Schreiben sind Wir auch, wenn es erforderlich war, dem Aristoteles gefolgt; in manchen Dingen scheint er jedoch, wie Wir aus Erfahrung lernten, besonders bezüglich der Natur bestimmter Vögel, von der Wahrheit abzuweichen. Deshalb folgen Wir dem Fürsten der Philosophen nicht in allem; denn selten oder niemals hat er Jagd mit Vögeln ausgeübt. Wir aber haben sie immer geliebt und immer betrieben. Bei vielem aber, was er in seinem Buche über die Tiere erzählt, sagt er, so hätten es andere berichtet; das aber, was andere so sagten, sah er weder selbst, noch haben es seine Gewährsmänner gesehen; eine sichere Gewißheit erlangt man nicht durch Hörensagen (durch das Ohr).

[nach: Eberhard Horst, Friedrich der Staufer. S. 196]

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