Wissenschaftstheoretisch betrachtet spielt das Experimente eine kaum zu überschätzende Rolle, um Theorien empirisch zu stützen bzw. zu falsifizieren. Deshalb leiden Disziplinen, die nur sehr eingeschränkt experimentieren können, an einem erheblichen methodologischen Nachteil. Wer nun an die Geisteswissenschaften denkt, liegt nicht verkehrt, aber es gibt auch eine Fülle von naturwissenschaftlichen Fächern, die zentrale Hypothesen nicht im Labor überprüfen können. Man denke nur an die Astrophysik, die Geologie oder die Meterologie.
Die Wirtschaftswissenschaften werden nach wie vor zu den Wissensgebieten gezählt, die aufgrund der Komplexität und der Vielzahl der beteiligten Faktoren, keine hinreichende Komplexitätsreduktion erlauben – die Voraussetzung jedes Experiments. Hier zeichnet sich nun ein neue Entwicklung ab.
Im Spektrum der Wissenschaft 5/04 berichtet Bernard Ruffieux von mehreren Experimenten, die Märkte simulieren, und bereits zu interessanten Ergebnissen führten, etwa dass man bei normalen Tauschgeschäften (Warenmärkte) das Einhalten von Regeln konstatieren kann, während dies für Finanzmärkte ganz und gar nicht zutrifft. Dies liege daran, dass man die Effizienz eines Wertpapiermarkts nicht an der Wertschöpfung messen könne. Der Nutzen bei Wertpapieren läge immer nur im Geldwert und sei damit bei allen Marktteilnehmern gleich.
Wer Sachgüter handelt, weiß genau, welchen Nutzen er ihnen zuschreibt. Im Fall von Wertpapieren kennen einige oder gar alle Beteiligten diese Größe nicht. Überdies gibt es auf Finanzmärkten Insider, die über den Wert der Handelsobjekte besser informiert sind als die übrigen Teilnehmer. (S. 66)
Bei im Labor simulierten Finanzmärkten (mit Menschen als Teilnehmern, es sind also keine Computersimulationen) treten deshalb regelmäßig Spekulationsblasen auf. Das Ergebnis dieser Experimente ist also negativ: Man kann bei Finanzmärkten regelmäßig die Nichteinhalten von üblichen Marktregeln belegen.