Da ich mehr Klassiker als Gegenwartsliteratur lese, sehe ich belletristischen Neuerscheinungen meist gelassen entgegen. Nur bei einer Handvoll Autoren warte ich auf neuen Bücher, darunter Markus Werner, einer der besten deutschsprachigen Autoren seiner Generation. Offenbar geht es anderen Literaturfreunden ähnlich: „Am Hang“ landete aus dem Stand auf Platz eins der SWR-Bestenliste.
Was würde der Maßstab des neuen Romans sein? Zündels brillanter Abgang oder der mediokre ägyptische Heinrich?
Um es gleich zu sagen: Er bewegt sich irgendwo in der Mitte. Stilistisch in bewährter Qualität, wirkt die Figurenkonstellation während der Lektüre ab der Hälfte etwas konstruiert. Ein junger Anwalt und Frauenheld lernt auf einer Hotelterrasse zufällig einen älteren, kauzigen Altphilologen kennen. Es entspinnt sich ein weltanschauliches Gespräch und der Junge gerät nach und nach in den Bann des Alten. Die Gegensätzlichkeit der beiden, lebensfroher Anwalt hier, schrulliger Lehrer da, ist zu perfekt. Angesichts Werners literarischen Künsten schadet das dem Buch nur leicht, es steht einem uneingeschränkten Lob jedoch entgegen.
Relativiert wird diese Konstellation durch das fulminante Ende, das die geschilderten Unterhaltungen in einem völlig anderen Licht zeigt, und die künstliche Opposition teilweise auflöst. Da man das Ende während der Lektüre nicht kennt, beugt das dem beschrieben Leseeindruck allerdings nicht vor.
Trotzdem eine klare Leseempfehlung: Ein durchschnittliches Buch von Markus Werner ist besser als fast alles, was die deutschsprachige Gegenwartsliteratur sonst zu bieten hat.
Markus Werner: Am Hang. Roman (Fischer TB)