Oliver Hahn von der Berliner Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung kam mit der Röntgenfluoreszenzanalyse Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) auf die Spur. Seit langem stritten die Gelehrten nämlich, ob der Dichter die Ergänzungen zu seinem „Faust I“ unmittelbar nach dessen Fertigstellung geschrieben hat oder erst später, als er bereits an „Faust II“ arbeitete. Des Rätsels Lösung lieferte die eisenhaltige Tinte, mit der Goethe seine Texte abgefasst hatte. Denn die Eisengallus-Tinten jener Zeit wurden von Hand hergestellt und lassen sich deshalb heute chemisch leicht unterscheiden. Da Goethe für die Ergänzungen zu dem ersten Teil der Tragödie die gleiche Tinte verwendete wie für Teil II, liegt der Schluss nahe, dass diese Schriften zeitgleich entstanden – nach der Fertigstellung des Haupttextes von Teil 1.
[Abenteuer Archäologie bzw. epoc 3/2004, S. 19]