Bernard Lewis: Stern, Kreuz und Halbmond

Untertitel: „2000 Jahre Geschichte des Nahen Ostens“

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Lewis gilt als Kenner des Nahen Ostens, weshalb ich mich bei meiner Buchauswahl für ihn entschied. Auf gut 500 Seiten eine Geschichte dieses ereignisreichen geographischen Raums zu verfassen, ist ein mutiges Unterfangen. Eine rein chronologische Abhandlung vorzulegen, wäre die naheliegende Vorgehensweise gewesen. Lewis entschied sich jedoch für unterschiedliche Darstellungsformen und gliederte sein Buch in vier große Teile:

Die „Vorgeschichte“ liefert den historischen Rahmen vor Christentum und Islam. Daran schließen die „Anfänge und Höhepunkte des Islams“ an, wobei die Frühgeschichte nicht zu kurz kommt. Dem folgen Lewis‘ „Querschnitte“ (Staat, Wirtschaft, Eliten, Volk, Religion und Gesetz, Kultur). „Die Herausforderung der Moderne“ ist der Titel des letzten Teils und führt (fast) bis an die Gegenwart.

Der Leser erhält auf diese Weise einen umfangreichen Einblick in den Nahen Osten. Der Autor führt den Interessierten von der Blüte der islamischen Kultur und Gelehrsamkeit bis hin zum langsamen, aber stetigen Niedergang des osmanischen Reiches. Einen der Hauptgründe für den Untergang sieht Lewis im mangelnden Interesse für Europa. Was sollten diese Ungläubigen schon zu bieten haben? Mit dieser Einstellung bekam man kaum etwas von der wissenschaftlichen Revolution im 17. Jahrhundert oder der späteren industriellen Umwälzung mit. Als durch verlorene Kriege nach und nach der technische Rückstand augenscheinlich wurde, war es für ein eigenständiges Aufholen zu spät. Bis in die Gegenwart sind diese Mängel ja zu beobachten, etwa fehlende herausragende naturwissenschaftliche Leistungen in dieser Weltgegend.

Interessant fand ich einen Teilaspekt der Erklärung, warum der Islam im Mittelalter Europa weit überlegen war. Lewis weist auf die große Bedeutung der Pilgerreise nach Mekka hin. Während in Europa die meisten Normalsterblichen selten ihr Dorf oder ihre Stadt verließen, brachen unzählige Muslime jedes Jahr zu einer langen Reise nach Mekka auf. Nun haben Reisen bekanntlich eine Reihe von intellektuellen Nebenwirkungen: Man lernt andere Kulturen kennen, trifft sich auf andere Menschen, fördert den Handel, kurz man erweitert den Horizont. Reiche Pilger pflegten übrigens auf die Reise eine Reihe von Sklaven mitzunehmen, die sie dann unterwegs zur Befüllung ihrer Reisekasse nach und nach verkauften: Sklaven als mittelalterliche traveller checks.

Das Buch liefert willkommene Hintergrundinformationen für die aktuellen Debatten und ist nicht nur deshalb der Lektüre wert.

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