Thomas Mann: Die Geschichten Jaakobs

Fischer Werkausgabe

Während ich die sogenannten „großen“ Romane Thomas Manns, also „Buddenbrooks“, „Zauberberg“ und „Dr. Faustus“ alle mehrmals las und sehr schätze, ließ ich die Josephs-Tetralogie bisher aus. Am Stoff lag es nicht, halte ich die Bibel doch für eines der spannendsten Bücher, immer vorausgesetzt man liest sie nicht mit einem religiösen Brett vor dem Kopf.

Das Jahr meiner Israel-Reise erscheint nun aber eine passende Gelegenheit, dieses Versäumnis nachzuholen. Der erste Band beschäftigt sich mit der Vorgeschichte und erzählt das Leben Jaakobs bis zur Geburt des Joseph. Zwar wird dieser gleich zu Beginn in einer fulminanten Szene eingeführt, danach geht es chronologisch aber schnell in die Vergangenheit. Die Strukturierung der Handlung durch diverse Vor- und Rückblenden zeigt die handwerkliche Meisterschaft des Autors: Der „alte“ Stil wird dadurch struktuell ausbalanciert. Ganz so als ergänzte man eine sanfte, auf die Dauer „langweilige“ Melodie durch diverse abwechslungsreiche Rhythmen.

Mann versuchte einen Stil zu finden, der an die Bibel erinnert und archaisierend wirkt, ohne aber diese Sprachwelt einfach zu kopieren. Etwas irrtierte mich zu Beginn die Verknüpfung dieser mythologischen Kunstsprache mit anscheinend aktuellen Erzählerkommentaren, welche mit dem religonsgeschichtlichen Wissenstand des 20. Jahrhunderts nicht geizen. Wie Mann es schafft, diese Welt kreativ zu vertiefen, ist interessant zu beobachten. Die Gradwanderung eines „intrinsischen“ Verständnisses versus einer modernen Psychologisierung der Figuren ist freilich eine höchst heikle.

Ein vielversprechender Auftakt für ein längeres Leseprojekt.

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