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Harris ist wie Richard Dawkins ebenfalls ein Vertreter des „New Atheism“ und hat mit „End of Faith“ einen Bestseller geschrieben. Es handelt sich wohl um das schärfste religionskritische Buch handeln, das seit längerer Zeit erschienen sind. Harris sieht Religion als eines der größten gesellschaftlichen Probleme an, und dürfte damit (speziell in den USA) den Finger in eine offene Wunde legen. Harris nähert sich dem Religionsproblem aus verschiedenen Perspektiven: sozial, geschichtlich und politisch. Der Fokus seiner Kritik richtet sich auf den Islam, er lässt aber keinen Zweifel daran, dass es ihm um die Religion an sich geht. So versetzt ihn auch der Einfluss von christlichen Fundamentalisten auf die amerikanische Öffentlichkeit in eine kampfeslustige Stimmung.
Harris ist besonders gut darin, den Anachronismus des religiösen Weltbildes zu veranschaulichen. In allen (!) Bereichen des menschlichen Lebens gab es in den letzten 2500 Jahren Fortschritte. Nur was die Religion angeht, scheine diese in einer Zeitblase zu existieren. Das intellektuelle Niveau, vor allem in Hinblick auf Erkenntnistheorie (Wie unterscheidet man Glaube und Wissen?) und Ethik (Wie beurteilt man Handlungen?), sei nicht vom Fleck gekommen. Versetzte man einen gebildeten Christen aus dem 14. Jahrhundert plötzlich in die Gegenwart: Er hätte in allen Bereichen größte Defizite und Verständnisprobleme. Nur beim Thema Religion würde er sich sofort zu Hause fühlen.
Wenn sich Harris in philosophische Gefilde wagt, würde man sich dagegen oft mehr Professionalität wünschen. Für jemanden, der in Stanford Philosophie studierte, behandelt er viele Fragen doch sehr nonchalant. So plädiert er für eine Art wissenschaftliche Ethik, ohne auch nur mit einem Wort das viel diskutierte Sein-Sollen-Problem zu erwähnen, das solchen Bemühungen im Wege steht. Am schwächsten ist das Buch, wenn politische Themen im engeren Sinn anstehen. So verteidigt er die amerikanische Außenpolitik samt ihrer Militanz und sieht keine Alternative zu gezielten Militärinterventionen. Verachtete er nicht so sehr die Religion in der Politik, klänge er manchmal wie ein klassischer Neokonservativer.
Ich würde Harris trotzdem als klassischen Aufklärer bezeichnen: Er vertritt seine Meinung scharf und kompromisslos. Seine Religionskritik ist fulminant. Zur Lektüre empfohlen.