Akademietheater 28.12.
Regie: Nicolas Stemann
mit Sachiko Hara, Myriam Schröder, Mareike Sedl, Adina Vetter, Philipp Hochmair, Hans Dieter Knebel, Thomas Lawinky, Rudolf Melichar, Joachim Meyerhoff, Sebastian Rudolph, Hermann Scheidleder, Martin Schwab
Nun habe ich ja eine Schwäche für ästhetischen Wagemut, weshalb ich diesem megalomanen Projekt, einen der großen Romane Dostojewskijs auf die Bühne zu bringen, mit Spannung entgegen sah. Nicolas Stemann war bisher vor allem durch seine kongenialen Bühnenfassungen diverser Stücke der Elfriede Jelinek bekannt, deshalb war nicht vorherzusehen, wie er diese Sache angeht. Eine neue Variante von Castorfs Stückezertrümmerung?
Im Gegenteil! Stemann und der Dramaturg Joachim Lux versuchten buchstäblich die wesentliche Motive des Romans zu inszenieren: Einerseits die „Sex and Crime“ Handlung rund um Vatermord und Frauengeschichten, andererseits den metaphysischen Überbau und das Religionsthema (Theodizee!). Letzteres immer wieder mit erfrischend ironischen Elementen angereichert(z.B. durch einen katholischer Knabenchor), was angesichts der pathetisch-sentimentalen Seite dieser Medaille dringend notwendig war . Stemann gruppiert diesen Motivkomplex rund um die den Starzen Sosima und legt weltanschauliche Textpassagen aus dem Roman diversen Akteuren in den Mund. Als erste Szene wählte Stemann sehr geschickt eine überaus theaterwirksame aus: Das Zusammentreffen der drei Brüder mit dem Vater Karamasow bei Sosima.
Es verblüfft, wie viel wichtige Motivstränge sich in knapp vier Stunden Theater unterbringen lassen. Am effektivsten ist natürlich die Kriminalgeschichte, und wenn man einen Einwand machen will, dann könnte man sagen, dass sie weniger eng verwoben mit dem Weltanschauungsthema ist als im Roman. Hier kommt das Theater an die Grenze seiner Möglichkeiten.
Die Inszenierung insgesamt ist sehr gelungen. Das Bühnenbild schwankt zwischen klösterliche Leere und einem zweistöckigen nach vorne offenen „Haus“ in dem sich gleichzeitig Szenen der Handlung abspielen. Requisten werden effektvoll oft nur angedeutet (eine Tür im leeren Raum). Die schauspielerische Leistung ist zu großen Teilen brillant. Wieder ist es Joachim Meyerhoff, der mit seiner Kunst verblüfft: Er trägt als Iwan so furios die Erzählung vom Grossinquistor vor (besser: er durchläuft während der Lesung eine Metamorphose und wird selbst zum Inquisitor).
Diese Aufführung ist ein klarer Beleg dafür, dass sich „verrückte“ Ideen auszahlen können. Eine Empfehlung.