Seit ich die ersten Bilder von Francis Bacon sah, zählt er zu den Künstlern des 20. Jahrhunderts, deren Treffsicherheit im Einfangen der menschlichen Existenz ich besonders bewundere. Ist man auf der Suche nach ästhetischen „Kommentaren“ zum Jahrhundert der Völkermorde, und bezweifelt man, dass „Ästhetik“ hier eine passende Kategorie ist, man fliege nach London und gehe in die Tate Britain.
Dabei ist die große Kunst des Francis Bacons nicht oberflächlich politisch. Er nimmt sich des Menschen auf anthropologischer Ebene an und entkleidet ihn buchstäblich und metaphorisch von allen Errungenschaften der Zvilisation. Gleichzeitig sind die Bilder bewusst in die große Tradition der abendländischen Kunstgeschichte eingebettet (Velazquez, van Gogh und viele andere), was ihre ästhetische Eigenständigkeit aber nur unterstreicht.
Es gibt nur wenige Werkkomplexe auf diesem Niveau. Hätte Bacon komponieren können, wären wohl Schostakowitischs düster-hellsichtige Streichquartette dabei herausgekommen. Ich bin froh, dass ich mir nach München und Wien unerwartet schnell wieder so viele großartige Bilder von Bacon ansehen konnte. Die Retrospektive ist thematisch aufgebaut und zeigt wichtige Werke aus allen Schaffensperioden.