Der Schüler Gerber. Roman. dtv
Das Buch zählt bekanntlich zu den österreichischen Klassikern des letzten Jahrhunderts und war Torbergs größter Erfolg, obwohl es sein Erstling war. Es reiht sich ein in die Reihe von kritischen Schulromanen, von denen hier nur Hesses „Unterm Rad“ und Musils „Zögling Törless“ erwähnt sei.
Torberg verarbeitet in dem Buch seine schlechten Erfahrungen in einem Wiener Gymnasium und ihm ist eine frappante soziologische Fallstudie dieses seltsamen Mikrokosmos gelungen. Die Schüler sind den „Professoren“ auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und selbstverständlich blühen sadistische Gemüter unter diesen Umständen besonders auf. Das Portrait des Mathematiklehrers und Klassenvorstands Kupfer gibt schöne Einblicke in diesen Persönlichkeitstyp. 1929 geschrieben leistet er einen Beitrag zum Verständnis des psychosozialen Umfelds aus dem der Nationalsozialismus hervorging, ganz ähnlich wie Musil in seinem Erstling mehr als dreißig Jahre früher.
Literarisch ist „Der Schüler Gerber“ allerdings merklich schwächer als Musils großer kleiner Roman. Das gilt nicht nur für den intellektuellen Gehalt der psychologischen Entwicklungen, sondern auch für die stilistische Durcharbeitung. Torbergs Buch liest sich gut, ohne Zweifel, seine literarische Mittel erschöpfen sich aber schnell in der erlebten Rede. Mit einer Lektüre des Romans macht man aber nichts falsch.