Bei siebenundzwanzig Filmen führte Billy Wilder Regie. Sechsundzwanzig davon sah ich mir in den letzten Monaten in chronologischer Reihenfolge an, viele nicht zum ersten Mal. Ein Urteil über sein Lebenswerk fällt nicht leicht. Man stellt schnell fest, dass Wilders Talent in erster Linie auf der Narration beruht. Er kann brilliant filmisch Geschichten erzählen. Ich würde sogar soweit gehen, ihn als literarischen Regisseur zu bezeichnen. Damit will ich Billy Wilder das Prädikat eines Filmkünstlers natürlich nicht absprechen. Er beherrscht das klassische Filmhandwerk in Perfektion. Ästhetische Innovation hat ihn freilich nie interessiert. So ist sein vorletzter Film Fedora (1978) zwar raffiniert, was die Behandlung der unterschiedlichen Zeitebenen angeht, aber ansonsten gibt es zu seinem Klassiker Sunset Boulevard (1950) ästhetisch keine nennenswerten Unterschiede. Ganz so, als hätte es die Nouvelle Vague oder andere Formen des Autorenkinos nie gegeben. Sogar ein erzkonservativer Filmemacher wie Woody Allen hat mit Stardust Memories (1980) einmal in diese Richtung experimentiert. Billy Wilder nie.
Seine besten Filme, zu denen ich neben Sunset Boulevard auch Some Like it Hot (1959) und The Apartment (1960) zähle, verbinden eine (nicht immer) komische Handlung mit einem subtilen Kommentar zu wichtigen Lebensfragen. Am gelungsten ist diese Symbiose in The Apartment. Wilder erzählt die Verwicklungen des von Jack Lemmon gespielten Versicherungsangestellten C.C. Baxter, der seine Junggesellen-Wohnung regelmäßig höhergestellten Kollegen für Seitensprünge überläßt. Literarisch und filmisch ist das blendend erzählt. Gleichzeitig reflektiert der Film aber das seltsame Leben eines kleinen Angestellten in Manhattan. Die Monotonie und Anonymität seiner Arbeit, die Schlichtheit des Unterhaltungsangebots etc. Man nehme beispielsweise die Szene, wo Baxter aus der Arbeit kommt, ein frühes Fertiggericht vor dem Fernseher konsumiert und verständnislos durch die Kanäle zappt, wo in erster Linie Werbung zu sehen ist. Der Film hat viele kleine Widerhaken und trotz des Happy Ends ist man am Ende überzeugt, alles andere als eine seichte Komödie gesehen zu haben.
Komödien sind das Genre, das Billy Wilder am besten beherrscht. Das schließt gute Dramen wie The Lost Weekend (1945) nicht aus, wo er die Abgründe eines Alkoholiker-Lebens filmisch analysiert. Seine Kalte-Kriegs-Klamotte One, Two, Three (1961) zählt zu den komischsten Filmen, die ich kenne. Gleichzeitig macht er sich über die Hysterie des Kalten Krieges lustig, was zu dieser Zeit dringend nötig und mutig war. Wer gute „klassische“ Filme mag, kommt an Billy Wilder nicht vorbei. Er wird aber mehr als Erzähler denn als Ästhetiker in die Filmgeschichte eingehen.
Und was ist jetzt mit dem 27. Film? 🙂