Andrej Bitow: Armenische Lektionen

Schon im 19. Jahrhundert spielte der Kaukasus eine symbolbeladene Rolle in der russischen Literatur. Die Faszination mit dieser Weltgegend scheint bei den dortigen Literaten auch später ungebrochen zu sein. Das Armenien-Buch des Ossip Mandelstam stellte ich ja bereits vor (Notiz). Andrej Bitow bereiste Armenien 1967 und schrieb seine Reiseerlebnisse in den Armenischen Lektionen nieder. Die Zensur hatte wenig Freude mit dem Buch. 2001 erschien eine überarbeitete Neuausgabe.

Im Gegensatz zu Mandelstams poetischem Zugang, ist Bitovs Annäherung an das kleine Land leichter zugänglich. Einige Lektionen sind sogar sehr didaktisch, etwa jene, die sich mit der armenischen Sprache und dem Alphabet beschäftigen. Die Qualität ist jedoch sehr unterschiedlich. Manche Kapitel sind spannende und intelligente Alltags-Vignetten, andere dagegen waren mir zu substanzlos, und es drängte sich mir der Verdacht auf, dass es galt, noch ein paar Seiten zu füllen.

Ausgezeichnet gelungen ist die Charakterisierung der Armenier und ihr kompliziertes Verhältnis zu ihrem Land. Folgende kurze Stelle etwa spricht Bände:

„Also, wie gefällt es Dir in Armenien?“ Sanft und fordernd schauen sie mich an.
„Sehr gefällt es mir“, sage ich natürlich. Und sie schauen mich an wie einen hoffnungslosen Fall.
[S. 62]

Die Lektion über den Genozid an den Armeniern bringt den Lesern die grafisch geschilderten Grausamkeit durch Quellenzitate nahe. Bitovs intellektuelle Reflexionen sind zwar lesenswert. Zu diesen Themen wurde aber Besseres geschrieben.

Für die Vorbereitung einer Armenienreise zu empfehlen.

Andrej Bitow: Armenische Lektionen. Eine Reise aus Russland (Suhrkamp)

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