John Sutherland kam mir erst kürzlich unter, obwohl er in englischsprachigen Literaturzirkeln offenbar ziemlich bekannt ist. Nach allem, was ich bisher las, scheint er mir eine Art englischer Rolf Vollmann zu sein, der jede Menge Bücher über Bücher schrieb.
In der aktuellen New York Review of Books wird sein jüngstes Werk besprochen, genauer: verrissen, das sich unter dem Titel Lives of the Novelists: A History of Fiction in 294 Lives vielen angelsächsischen Autoren annimmt.
Rezensent Robert Gottlieb lässt allerdings kaum ein gutes Haar an dem Buch, wie schon der Beginn seiner Kritik deutlich macht:
It’s hard to say which are more remarkable, the inflated ambitions of this enormous book, its actual achievements, or the perversities with which the author has undermined them. An admired academic—Emeritus Lord Northcliffe Professor of Modern English Literature at University College London and former longtime faculty member at the California Institute of Technology—and a widely read literary journalist, John Sutherland has set out to give us the Lives of the Novelists (English-language novelists, that is). Or as he puts it in his subtitle, “A History of Fiction in 294 Lives.” The self-congratulatory nod to Samuel Johnson’s magnificent Lives of the English Poets is as embarrassing as it is presumptuous.
Weitere bibliomane Bücher John Sutherlands:
Love, Sex, Death & Words: Surprising Tales from a Year in Literature
Bestsellers: A Very Short Introduction
„Is Hearthcliff a murderer?“ heißt die Sammlung von „puzzles in classic fiction“, durch den ich Sutherland vor vielen Jahren kennengelernt habe – faszinierende Exerzitien in „close reading“, die inzwischen mit anderen Stücken gleicher Art in „The Literary Detective“ versammelt sind. Seine Vorlesungen in der Teaching Company haben mir gut gefallen (angenehme Stimme, anregende Auswahl), die „Lives of the Novelist“ fand allerdings auch ich ein wenig enttäuschend; mit der Kritik seines großsprecherischen Anspruchs hat Gottlieb vermutlich recht. Ich muß dem Buch aber zugute halten, daß es mich einmal mehr (und in entscheidender Weise) auf Anthony Powell hingewiesen hat, dessen „Dance to the Music of Time“ ich nun lese – obgleich Sutherland kaum einen Zweifel darüber läßt, daß er nicht viel von dem Autor hält. Aber wenn das keine Leistung ist: einen Schriftsteller so abzukanzeln, daß man sich genötigt fühlt, seine Sachen sofort zu lesen!