Enthüllungsbücher genießt man am besten immer mit einer ordentlichen Portion Skepsis. Aber was Ryan Holiday in seinem Buch Trust Me, I’m Lying kenntnisreich an Manipulationsmethoden beschreibt, um falsche Geschichten im Internet bekannt zu machen, sollte jeder kritische Medienkonsument gelesen haben.
Was die Glaubwürdigkeit Holidays stärkt: Er belastet sich selbst. Viele Jahre als machiavellistischer PR Spezialist tätig, beschreibt er en detail die vielfältigen schmutzigen Tricks, mit welchen er seine Aufträge erledigte. Das reicht von erfundenen Kampagnen über glatte Lügen bis hin zur Korruption in unterschiedlichen Graden. Ein Beispiel: Um den umstrittenen Autor Max Tucker zu fördern, beschmierte Holiday höchst selbst in der Nacht Tuckerwerbeplakate mit kritischen Slogans, um dann unter Pseudonym Medien empört darauf hinzuweisen und so eine fiktive Kontroverse zu inszenieren. Selbst feministische Protestaktionen provozierte er als fiktiver Tippgeber.
Holiday beschreibt über viele Kapitel sehr ausführlich, wie das System der Internetpublizistik in den USA funktioniert. Journalistische Standards werden selbst von den berühmtesten Blogs kaum eingehalten. Schnelligkeit und viele Clicks sind die Götter dieser Medien, alles andere ist zweitrangig. Verleumdungen werden aufgrund von E-Mails publiziert, ohne dass je die Identität des Senders überprüft wird. Fact Checking ist völlig unbekannt. Sehr plausibel zieht Holiday hier Parallelen zur Yellow Press des 19. Jahrhunderts. Wer die Arbeitsbedingungen und die miese Bezahlung der Blogautoren nach der Lektüre von Trust Me, I’m Lying kennt, wird Huffington Post, Tech Crunch und wie sie alle heißen zumindest mit neuen Augen sehen. Je bekannter und kommerzieller, desto mehr Dreck am Stecken. Die richtige Konsequenz aber wäre, diesen publizistischen Dreck überhaupt zu ignorieren und statt dessen auf die immer noch existierenden Medien mit hohem Niveau zurückzugreifen. Meine Empfehlungen kann man in Was soll man lesen? finden.
Besonders wütend ist Ryan Holiday auf jene Akademiker, welche die nicht-vorhandenen Qualitätsstandards als iterativen Journalismus schön reden. Die Beispiele, die Ryan Holiday bringt, sprechen auch hier für sich.
Ryan Holiday: Trust Me, I’m Lying. Confessions of a Media Manipulator (Portfolio)
Man kommt am Sonntagabend nach Hause, liest die neu erschienenen Einträge und findet einen warnenden. Und wie meistens bei Dr. Köllerer hat man wieder ein Buch auf der Leseliste.
Danke!