Unteres Belvedere 16.2. 2013
Derzeit sind zwei sehr bemerkenswerte Ausstellungen im Unteren Belvedere zu sehen: Wien – Berlin. Die Kunst zweier Metropolen widmet sich der spannenden Fragestellung, nach Unterschieden und Parallelen im Kunstschaffen der beiden Städte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Vor dem ersten Weltkrieg werden vor allem die Unterschiede augenscheinlich: Während sich die Wiener Moderne einer streng artifiziellen Formsprache bedient, und man den Werken das Konzeptuelle meist sofort ansieht, sind die Bilder aus Berlin überwiegend direkter und weniger „verkünstelt“. Das findet im späteren Expressionismus ebenso seinen Ausdruck wie bei jenen Künstlern, welche soziale Missstände anprangern. Beeindruckend ist besonders jene Sektion, die sich mit dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzt. Danach folgt die Neue Sachlichkeit, wo sich zwischen Wien und Berlin kaum noch ästhetische Unterschiede ausmachen lassen. Die Schau trägt jede Menge Beispiele für ihre Thesen zusammen. Der Audioguide ist ungewöhnlich ausführlich. Mir persönlich steht übrigens der Berliner Authentizismus (wenn man das so nennen mag) näher als das Wiener Artifizielle. (Bis 15.6.)
Mit der Spätgotik beschäftigt sich Wien 1450 – Der Meister des Schloss Lichtenstein. Wie bei vielen (spät)mittelalterlichen Künstlern, kennen wir den Namen des Wieners nicht, obwohl er zu den interessantesten Malern seiner Zeit zählt. Das Belvedere zeigt hier erstmals dreiundzwanzig seiner weit verstreuten Werke in einem Raum. Ihnen ist eines gemeinsam: Der Realismus der Menschendarstellung. Seine Gesichter sind bereits weit von den mittelalterlichen Typendarstellungen entfernt, auch wenn die Gemälde sonst noch die Genrekonventionen erfüllen. Man kann quasi live den Übergang zur realistischeren Malerei der Renaissance beobachten. (Bis 23.2.)
Das war wirklich eine interessante Ausstellung. Ich habe sie hier in Berlin gesehen und auch darüber berichtet (http://notizhefte.wordpress.com/2014/01/19/wien-berlin-ausstellung-in-der-berlinischen-galerie/).
Beindruckend, wie wuchtig sich der Krieg – nachdem er real erfahren worden war – im Werk niederschlug und das eben nicht nur „persönliche Therapiearbeit“ einzelner Traumatisierter blieb, sondern die Kunst insgesamt weiterentwickelt.