Ausstellungen in Wien

Ich nutzte meine Wien-Urlaubswoche zum Besuch zahlreicher Ausstellungen. Hier eine kurze Zusammenfassung des Gesehenen:

Im Unteren Belvedere beschäftigt man sich mit Klimt, Kupka, Picasso und andere(r) – Formkunst. Im Mittelpunkt dieser kunsthistorisch spannend kuratierten Ausstellung steht die Entwicklung der Kunst in Richtung Abstraktion in Österreich, Tschechien und Ungarn, dem damaligen Kaiserreich also. Berücksichtigt wird nicht nur die Malerei, darunter sehr frühe abstrakte und kubistisch anmutende Werke, sondern auch das damals oft geometrisch inspirierte Kunsthandwerk. Stichwort: Wiener Werkstätte. Interessanter als die gezeigten Bilder der Promis wie Klimt oder Schiele sind die weniger bekannten Wegbereiter, etwa jene Adolf Hölzels. Möge man zukünftig öfters den Mut zu solchen spannenden „Anti-Block-Buster-Ausstellungen“ finden. (Bis 19.6.)

Kunsthistorisch aufschlussreich ist auch Fürstenglanz. Die Macht der Pracht im Winterpalais. Die Exhibition beschäftigt sich nämlich mit der Vermarktung der fürstlichen Gemäldesammlungen im 17. und 18. Jahrhundert. Diese Galerien waren Prestigeangelegenheiten ersten Ranges, weshalb alle stolzen Galerienbesitzer sie europaweit bekannt machen wollten. Heute würde man von Kulturmarketing sprechen. Mittel der Wahl waren vor allem sogenannte Galeriewerke, also opulente Bücher, welche die Bilder einer Sammlung abbilden und beschreiben. Sie wurden als Geschenke in ganz Europa verteilt. Beliebt waren auch Galeriebilder, in denen der Sammler mit seinen wichtigsten Werken gezeigt wird. So eine Meta-Ausstellung gab es in Wien bisher meines Wissens noch nicht, was alleine ja schon eine beachtliche Empfehlung darstellt. (Bis 26.6.)

Schlicht Balthus nennt sich die Retrospektive im Kunstforum Wien. Sie nähert sich dem Künstler aus unterschiedlichen Perspektiven. Am auffallendsten ist das ästhetische Außenseitertum des Balthus: Sein Stil orientiert sich an der italienischen Malerei, was sich nicht nur auf die figurativen Sujets bezieht, sondern auch auf seine Farbpalette. Neben seinen Akten junger Mädchen, die heute noch so manchen Sittenwächter provozieren, gibt es Portraits, Grafiken und Landschaftsmalerei zu sehen. Was mich verblüfft: Das 20. Jahrhundert spielt überhaupt keine Rolle, weder implizit noch explizit. Balthus ist kein Zeitgenosse, seine Bilder wirken auf mich evasorisch. Das figurative Gegenbeispiel wäre Francis Bacon, der ästhetisch innovativ mitten in seinem Jahrhundert steht und zu vielfältiger Reflexion anregt. (Bis 19.6.)

Die Kunsthalle verspricht The Promise of Total Automation, kann dieses Versprechen aber nicht halten. Nicht die erste Ausstellung dort, wo sich nur eine lose Beziehung zwischen dem Gezeigten und dem Thema herstellen lässt. Zwar gibt es eine Reihe von sehenswerten Einzelexponaten, darunter sogar historisch bedeutende wie die erste mit Lochkarten betriebene Webmaschine oder den ersten tragbaren Computer. Einen roten semantischen Faden sucht man aber vergebens. (Bis 29.5.)

Sehenswerter ist gegenüber im Mumok eine neue Auseinandersetzung mit der Wiener Kunstgeschichte: Körper, Psyche & Tabu. Wiener Aktionismus & die frühe Wiener Moderne. Wer den Aktionismus kennt, wird zwar keine neuen Aspekte entdecken. Der geschlagene Bogen zur Kunst der Wiener Jahrhundertwende, wo sich sowohl inhaltliche (Körperkunst) als auch soziologische (Protest-Avantgarde) Parallelen festmachen lassen, eröffnet aber neue Perspektiven auf Altbekanntes. (Bis 16.5.)

Im Wien Museum sind gleich zwei spannende Ausstellungen zu besichtigen: In den Prater! ist eine gelungene Darstellung der Geschichte dieser Volksbelustigung und deren Entwicklung. Zusätzlich zum klassenübergreifenden Unterhaltungsort gab es nach der Wiener Weltausstellung im Jahr 1873 dort auch einen regen Ausstellungsbetrieb über den man sich ausführlich informieren kann. Wer sich für die Geschichte Wiens interessiert, sollte sich einen Rundgang nicht entgehen lassen. (Bis 21.6.)
In meinen Augen mehr eine wiengeschichtliche als eine Kunst-Ausstellung ist O.R. Schatz & Carry Hauser. Im Zeitalter der Extreme. Sie zeichnet den unterschiedlichen Weg dieser beiden Wiener Maler nach, die nie so berühmt geworden sind wie manche ihrer Zeitgenossen. Zurecht, wäre ich versucht zu sagen, denn nicht wenige der gezeigten Werke wirken epigonal und erinnern etwa an Schiele oder Klee. Wenn man sich aber sozial- und mentalgeschichtlich dafür interessiert, welche katastrophalen Konsequenzen die erste Jahrhunderthälfte auf kreative Menschen hatte, findet man viele Denkanstöße. Zumal sich die beiden letztendlich völlig unterschiedlich entwickelten. Während Hauser ins katholisch-reaktionäre Milieu abdriftete, setzte sich Schatz mit urbanen Themen auseinander. (Bis 16.5.)

Eine von der Idee als auch Umsetzung bemerkenswerte Exhibition ist Schwarzösterreich. Die Kinder afroamerikanischer Besatzungssoldaten im Volkskundemuseum. Meist unehelich aufgewachsen und mit dunkler Hautfarbe gesegnet, hatten nur die wenigsten eine angenehme Kindheit. Dass auch den wenigen positiven Lebenserlebnisse ausführlich Raum eingeräumt wird, ist erfreulich. Der Kern der thematisch organisierten Ausstellung sind die konkreten Erlebnisse und die Biographien ausgewählter (anonymisierter) Betroffener. In zahlreichen Videostationen erzählen Sprecherinnen und Sprecher deren Erlebnisse in Heimen, in der Familie, in der Stadt. Der weit verbreitete Alltagsrassismus ist dabei ein besonders trauriges Kapitel und ist ein Spiegel, den wir in diesen Wochen besonders stark benötigen. Abgerundet wird diese „oral history“ durch zahlreiche historische Objekte: Fotos, Briefe, Urkunden, Zeitungsartikel. Ein mir bisher völlig unbekanntes Kapitel in der Geschichte Wiens wird hier hervorragend vermittelt. (Bis 21.8.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

code