Kürzlich schrieb ich an dieser Stelle wie sehr mich Williams Roman Stoner beeindruckt. So sehr, dass ich schnell einen zweiten Roman des Autors lesen wollte.
Insgesamt ist Butcher’s Crossing (1960) leider eine große Enttäuschung. Das liegt nicht an der grundsätzlich guten Idee des Romans: Der dreiundzwanzigjährige Andrews verlässt abenteuerlustig seine Eliteuniversität im Osten und bricht auf der Suche nach Selbsterkenntnis und einem besseren Verständnis seines Landes Richtung Westen auf. Eine Art in den wilden Westen verlegter Bildungsroman also. Dort finanziert er – entgegen allen Warnungen – eine wagemutige Buffallo-Jagdpartie. Gemeinsam mit drei schrägen Typen suchen sie eine in den Bergen versteckte Herde, veranstalten einen soliden Massenmord, werden eingeschneit und kommen erst nach vielen Entbehrungen wieder nach Butcher’s Crossing zurück. Erfolglos sei angemerkt, weil sie ihre Felle in einem reißenden Fluss bei der Rückkehr ebenso verlieren wie einen ihrer Jagdkameraden.
Die größte Leistung des John Williams ist sicher, den Mythos des Wilden Westens durch eine naturalistische Schilderung zu ersetzen. Die Strapazen, der Dreck, die mangelnde Hygiene oder der Leichengestank werden ausführlich beschrieben. Diese ausführlichen Beschreibungen sind auch das größte ästhetische Problem: Williams klebt an jedem Detail. Anders als bei Stoner induziert diese Schreibweise weder eine symbolische Lesart noch einen formal spannenden Erzählrhythmus. Ohne diese zusätzliche Bedeutungsebene bleibt Butcher’s Crossing ein solides Stück Literatur, ist aber weit entfernt von der Multidimensionalität, welche einen guten Klassiker auszeichnet.
John Williams: Butcher’s Crossing (Vintage Classics)