Simon Stone: Medea

Burgtheater 22.12.18

Regie:Simon Stone

Anna: Caroline Peters
Lucas: Steven Scharf
Clara: Mavie Hörbiger
Christoph: Christoph Luser
Anne-Marie-Lou: Irina Sulaver
Herbert: Falk Rockstroh

„Nach Euripides“ steht hinter dem Titel, was mir schon beim Betreten des Burgtheaters Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Wieso etwas verbessern oder modernisieren, was ohnehin schon zu den besten Texten des europäischen Theaters gehört? Es stellt sich aber schnell heraus, dass dieses „nach“ sehr weit gefasst ist und mit der Tragödie des antiken Vorbilds im Wesentlichen nur abstrakt die tragische Dynamik gemeinsam hat. Am Ende gibt es also tragödientypisch viele Tote und die berühmte Ermordung der eigenen Kinder durch die Mutter. Viele wichtige Motive des Euripides werden ausgespart, etwa der von Medea explizit gemachte Konflikt zwischen ihrer Vernunft und ihrer mörderischen Leidenschaft. Während Medea ihren Mordplan reflektiert, handelt ihr modernes Gegenstück primär im Affekt aus Eifersucht. Während bei Euripides das xenophobe Element eine wesentliche Rolle spielt, passt sie als „Barbarin“ und Zauberin doch so gar nicht zur griechischen Kultur, spielt Stones Stück im selben sozialen Milieu: Alle Beteiligten gehören der oberen Mittelschicht an und arbeiten in der medizinischen bzw. pharmakologischen Forschung. Es ließen sich noch weitere grundsätzliche Unterschiede aufzählen.

Die große Entfernung vom Original hilft dieser Medea aber sehr, wäre es doch sehr schwer, mit dem Original konkurrieren zu können. Die verhängnisvolle Handlung wird auf einer komplett weißen Bühne ohne Requisiten umgesetzt, was eine tolle Wirkung entfaltet. Wie so viele zeitgenössische Regisseure arbeitet Simon Stone mit Live-Video auf der Bühne. Caroline Peters und Steven Scharf füllen ihre tragischen Schemata kompetent. Der lange Applaus am Ende zeigt, wie genial die antiken Klassiker mit ihrer Tragödienstruktur das Publikum bis heute „manipulieren“ können. Insgesamt wirkt der Theaterabend für meinen Geschmack etwas zu klinisch, generiert aber einige sehr starke Bilder (Ende!). Mit Mephisto bis jetzt die beste neue Inszenierung der Saison.

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