Kleist: Die Hermannschlacht

Burgtheater 7.12. 19

Regie Martin Kušej
Bühne Martin Zehetgruber
Kostüme Alan Hranitelj
Mitarbeit Bühnenbild Stefanie Wagner
Musik Bert Wrede
Licht Friedrich Rom
Dramaturgie Andreas Karlaganis

Hermann: Markus Scheumann
Thusnelda, seine Gemahlin: Bibiana Beglau
Eginhardt, sein Rat: Paul Wolff-Plottegg
Römischer Feldherr: Falk Rockstroh
Ventidius, Legat von Rom: Bardo Böhlefeld

Als ich zur Vorbereitung auf Martin Kusejs erster Wiener Inszenierung in seiner neuen Rolle als Direktor Die Hermannschlacht noch einmal lese, stößt mich die Grobschlächtigkeit des Stücks ab. Von Kleists viel gepriesener sprachlicher Subtilität kaum eine Spur. Stattdessen Figuren wie politische Holzklötze und eine sichtbar mit Mühen konstruierte Struktur. Kleist wollte ja eigentlich auch kein klassisches historisches Drama schreiben, sondern ein politisches Tendenzstück, das die deutschen Völker gegen Napoleon aufrütteln sollte. Er wäre sicher sehr überrascht zu erfahren, dass sein Stück 200 Jahre später sporadisch noch aufgeführt wird. Zu seinen Lebzeiten sah es keine Bühne. Die Uraufführung erfolgte erst 50 Jahre später. Die Nazis liebten das Drama wenig überraschend sehr.

Es gibt zwei grundsätzliche Möglichkeiten, das Stück heute aufzuführen. Erstens als antiimperialistisches Befreiungsstück. Die Germanen wehren sich heroisch gegen die kulturelle und wirtschaftliche Kolonisierung durch die Römer. Zweitens als Lehrstück über politischen Fanatismus und die Irrwege des Nationalismus. Kusej wählt die zweite Route und gibt sich große Mühe, Hermann als manipulativen „Rechtspopulisten“ darzustellen. Markus Scheumanns Stimme schnarrt sehr und erinnert an den Duktus der Dreißiger. Inhaltlich spießt sich das selbstverständlich mit dem Text. Die historische Tatsache, dass die Römer einen brutalen Eroberungskrieg führen, lässt sich nun einmal nicht aus der Welt schaffen. Obwohl es viele auf den ersten Blick sehr gut gemachte düstere Szenen und Theaterbilder gibt, sitze ich fast die ganzen drei Stunden emotional distanziert im Theater und betrachte die ständigen Versuche, in mir Empörung oder Abscheu zu erwecken, mit wohlwollendem Interesse. Selbst die brutalste Szene, in der eine vergewaltigte junge Frau in fünfzehn Teile zerstückelt wird (man sieht nur das Ergebnis), um die fünfzehn Stämme der Germanen gegen die Römer aufzurütteln, lässt mich überwiegend kalt. Das brutale Motiv stammt übrigens aus dem Alten Testament und wird hier von Kleist mit wenig Federlesens für seine propagandistischen Zwecke kopiert.

Ich kann nur schwer festmachen, warum der Theaterabend für mich nicht richtig funktioniert. Das miese Stück trifft sicher die Hauptverantwortung. Denn „objektiv“ gesehen, macht Kusej wenig falsch. Er lässt den Text weitgehend in Frieden, einmal abgesehen von einigen Marotten wie lateinische Einsprengsel, die übertitelt werden. Er findet immer wieder plausible theatralische Bilder. Das Bühnenbild mit den vielen durcheinander gewürfelten Betonpollern findet die richtige Mischung aus Abstraktion und Bühnenwirksamkeit. Die Schauspieler könnten etwas deutlicher sprechen, aber ansonsten gibt es auch auf dieser Ebene wenig auszusetzen. Die einzelnen Elemente fügen sich aber nie zu einem überzeugenden Ganzen zusammen. Manchmal weht ein Hauch Provinz durch die Burg (Bärenszene am Ende!).

Diese Hermannschlacht regt jedenfalls sehr zum Nachdenken über Geschichte, Politik und Theater an. Sie scheitert auf hohem Niveau. Empfehlen allen, sich ein eigenes Bild davon zu machen.

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