Langjährige Notizenleser wissen: Ich habe eine große Schwäche für megalomane Überblickswerke. Im Zeitalter der Spezialisierung grenzt es ja an eine Art intellektuellen Suizid, sich so ein Projekt vorzunehmen. John Readers Buch zählt zweifellos dazu: Er will nichts weniger als eine komplette Geschichte Afrikas vorlegen. Das Ergebnis sind achthundert eng bedruckte Seiten. Wer nicht viele Stunden lang kleine Schriften lesen mag, greift wohl besser zur E-Book-Variante.
Das Buch ist inzwischen dreiundzwanzig Jahre alt und zählt immer noch zu den besten Sachbüchern über Afrika, auf die ich im Zuge meine Studienreisevorbereitungen stoße. Das liegt auch daran, weil sich Reader sehr an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert. So startet er mit einem geologischen Überblick über die Entstehung des Kontinents und setzt dann mit der Evolutionsgeschichte des Menschen in Afrika fort. Das ist denn auch der einzige Teil des Buchs, der stellenweise veraltet ist, weil es zur Entstehung des Menschen in den letzten zwanzig Jahren doch sehr viele neue Erkenntnisse gab. Er setzt im Großen und Ganzen chronologisch fort. Er beschreibt aber auch die soziokulturellen Rahmenbedingungen des Kontinents, etwa den Einfluss des Eisens, um dann kapitelweise die großen afrikanischen Zivilisationen zu behandeln.
Frappant und brutal liest sich die Aufarbeitung der Sklaverei. Reader lässt keinen Zweifel über die europäische Barbarei aufkommen, schildert aber ebenfalls sehr ausführlich, wie tief die Institution der Sklaverei immer schon in der afrikanischen Gesellschaft verankert war. So waren die ersten Abnehmer der portugiesischen Sklavenhändler bekanntlich Afrikaner. Die Bereitwilligkeit, mit der Sklaven gegen Gewehre etc. getauscht wurden, spricht leider eine sehr klare Sprache.
Vergleichsweise ausführlich werden naturgemäß auch die Kolonialzeit und die anschließenden Befreiungsbewegungen abgehandelt. Südafrika spielt immer wieder eine wichtige Rolle, und das Buch endet mit dem Ende der Apartheid. Dringende Empfehlung für alle an Afrika Interessierten.
John Reader: „Africa. A Biography of the Continent“ (Penguin)
Danke für die Empfehlung!
Ich mag ebenfalls so monumentale Werke. Mit 800 eng bedruckten Seiten im Rucksack muss man wenigstens keine Sorge haben, dass einem irgendwo zwischen Timbuktu und Dakar der Lesestoff ausgeht. Und praktischer als zehn Bücher über einzelne Staaten mit je 200 Seiten ist es auch.
Haben Sie auch eines der Bücher von Martin Meredith gelesen, die immerhin 15 Jahre aktueller sind?
Ich habe nicht nachgesehen, ob das Buch überhaupt noch lieferbar ist. Meredith sagt mir leider nur vom Namen her was. Werde ich mir ansehen.