Hararis größte Stärke ist es, komplexe Sachverhalte einem breiten Publikum verständlich zu machen. Sein bestes Buch war bisher sein erstes, das ihm auch zu Weltruhm verhalf: Sapiens: A Brief History of Humankind (2011) (Notiz). In TV-Auftritten oder in Podcasts wird dieses Talent ebenfalls offensichtlich.
Seine darauffolgenden Bücher waren dann immer eine Mixtur aus drei Teilen: Wiederholung von Konzepten aus Sapiens, Zusammenfassungen von bereits Bekanntem, und spannende originelle Gedanken. Auch Nexus ist da keine Ausnahme: Wirklich originell und spannend ist vielleicht ein Drittel des Buches, den Rest kennt man als informierter Zeitgenosse schon. Was jetzt nicht heißt, dass diese Inhalte schlecht geschrieben oder aufbereitet wären. Etwas mehr Fokus auf seine Kernthesen wäre jedenfalls ein Gewinn gewesen.
Ich hörte das Buch bereits letztes Jahr als Hörbuch, und zwar auf Deutsch, weil ich versehentlich nicht die Originalfassung erwarb. Die Übersetzung war in Ordnung. Es gliedert sich in drei große Teile. Im ersten Teil beschreibt Harari in Anlehnung an seine bekannten Konzepte die Wichtigkeit von Informationsnetzwerken für die menschliche Zivilisation anhand diverser (kultur-)historischer Beispiele. Sehr gelungen finde ich etwa, wie er im vierten Kapitel den Ausbruch des frühneuzeitlichen Hexenwahns mit der Erfindung des Buchdrucks plausibel in Zusammenhang bringt und sich dem Lesenden Parallelen zu aktuellen Verschwörungstheorien und Social Media aufdrängen.
Im zweiten Teil kommt er zu seinem Hauptthema: der künstlichen Intelligenz. Er beschreibt die Andersartigkeit dieser Technologie im Vergleich zu allen anderen menschlichen Erfindungen vorher. Er geht sehr ausführlich auf die Gefahren einer übermenschlichen, schwer zu kontrollierenden „fremden“ Intelligenz ein und schildert dann im dritten Teil auch ausführlich die möglichen geopolitischen Implikationen, etwa einer Aufspaltung von Ländern mit Zugriff auf hochentwickelte AI und ohne.
Trotz der geschilderten Schwächen habe ich das Buch ganz gerne gelesen. Ich spreche hier aber nur eine bedingte Empfehlung aus. Wem die Geduld für seine Wiederholungen und Ausschweifungen fehlt, kann sich auch nur die interessanten Kapitel herauspicken.
Yuval Noah Harari: Nexus (Audible)
