Schiller über eine dilettantische Privatbibliothek

Brief an Christian Gottfried Körner vom 27. Juli 1788:

Ich konnt es nicht ganz vermeiden auch andre Menschen hier kennen zu lernen, doch ist es bis jezt noch gnädig zugegangen. Ein Original ist darunter, das sich aber weniger schildern läßt, der Herr von Kettelhodt, der Minister und eigentliche Landesregent. Eine groteske Species von Menschen, und eine monströse Composition von Geschäftsmann, Gelehrten, Landjunker, Galanthomme und Antike. Als Geschäftsmann soll er vortreflich seyn und dabey tragen wie ein Esel; sein größter Anspruch geht aber auch gelehrte Wichtigkeit.

Er hat eine Bibliothek angelegt, die für einen Particulier erstaunend groß, dabey aber zu keinem Zwecke ganz brauchbar ist. Sie enthält schöne und selbst rare Werke in allen Fächern, aber keins ist nur leidlich complett. Da es ihm mehr um die Mange die ins Auge fällt als um einen vernünftigen Gebrauch zu thun war, so hat er alles durcheinander gekauft. Aus der Geschichte habe ich trefliche Werke da gefunden, und im Fach der alten Romane aus dem Mittelalter mag wohl das meiste zu finden seyn.

Die Anlage von aussen fällt gut ins Auge, der Saal und der Eintritt ist fürstlich. Die Bibliothek würde ich übrigens, wärs auch nur um in dem alten Schutt der Romane und Memoires ein Goldkörnchen auszuwühlen, fleißig besuchen, wenn der Wirth zu vermeiden wäre. Aber zum Unglück ist er äuserst eitel, besonders auf gelehrte oder gar berühmte Bekanntschaften, und man wird ihn nicht los. Nachdem er in Erfahrung gebracht hat, daß ich seine Bibliothek gelobt habe mußte ich ein Souper bei ihm aushalten, und er ließ meinen Burschen von der Gaße auffangen, mich nach Volkstädt mit Wein zu regalieren.

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