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Wie hier zu lesen war, gefielen mir die ersten beiden Bände der Josephs-Tetralogie durchaus. In ihnen scheint sich Mann aber erst eingeschrieben zu haben, denn „Joseph in Ägypten“ ist ein noch größerer Wurf. Das mag auch daran liegen, dass die Komplexität der fiktionalen Welt nun zunimmt. Joseph „betritt“ die größte damalige Hochkultur samt ihrer unglaublichen Vielfalt in allen Belangen.
Sehr geschickt bedient sich Mann auch eines gängigen Topos der großen Romane der Weltliteratur, nämlich dem Aufstieg eines ehrgeizigen jungen Mannes unter widrigen Umständen. Stendhals „Rot und Schwarz“ wäre hier der Prototyp. Diese und andere literaturgeschichtlichen Analogien schwingen bei der Lektüre mit und geben ihr einen besonderen Reiz.
Ein weiterer „klassischer“ Topos findet sich ebenfalls im Roman, nämlich der des Außenseiters. Joseph kommt als Ausländer in eine zum Teil sehr konservative bis xenophobe Umgebung. Dass er sich trotzdem durchsetzt und zum Verwalter Peteprês wird, ein unwahrscheinlicher Aufstieg durch Josephs Charisma und rhetorisches Talent motiviert, trägt ein märchenhafte Züge.
Mann schildert den ägyptischen Alltag detailreich und anschaulich. Er zeichnet ein großes Panorama und läßt die Erzählung in kleinen, aber stetigen Schritten voranschreiten. Voranschreiten bis zum Höhepunkt, der Konfrontation mit der Gattin seines Herren, die ihn letztlich ins Gefängnis bringt.
Die sorgfältige Entwicklung dieser Beziehung vom Hass der Frau auf ihn wegen seiner Fremdheit zu ihrer kompletten Verfallenheit an den schönen Orientalen ist ein erzählerisches Meisterstück. Aber auch die teils skurrilen Nebenfiguren hätten eine ausführliche Würdigung verdient.
Eine Lesevergnügen, vielleicht mit der Einschränkung, dass etwas Wissen über das Alte Ägypten bei der Lektüre hilfreich ist. Die mythologische Welt der Ägypter ist uns einerseits ziemlich fremd. Andererseits vergibt man sich so des Vergnügens zu sehen, was Thomas Mann aus dieser Überlieferung macht und wie intelligent er sie gestaltet.