Burgtheater 7.10.
Regie und Bühne: Alvis Hermanis
Friedrich Hofreiter, Fabrikant: Peter Simonischek
Genia, seine Frau: Dörte Lyssewski
Anna Meinhold-Aigner, Schauspielerin: Corinna Kirchhoff
Otto, ihr Sohn: Lucas Gregorowicz
Doktor von Aigner, der geschiedene Gatte der Frau Meinhold: Michael König
Frau Wahl: Kirsten Dene
Erna, ihre Tochter: Katharina Lorenz
Doktor Franz Mauer: Falk Rockstroh
Die Wiener Gazetten ließen kein gutes Haar an Alvis Hermanis neuer Inszenierung. Das Wiener Publikum hatte ebenfalls wenig Freude daran. Die Premiere wurde ausgebuht und auch gestern waren die Reihen nach der Pause bereits arg gelichtet. Nun lehnen die Wiener gerne reflexartig Neues ab, was sich paradigmatisch am konservativen Operngeschmack zeigt, und schon zu Mozarts Zeiten gut dokumentiert ist.
Hermanis hatte eine wirklich originelle Regie-Idee: Das weite Land als Film Noir auf die Bühne zu bringen. Handwerklich setzte er diesen Einfall exzellent um: Bühnenbild, Figuren und Kostüme sind alle in grau gehalten. Das Spiel mit Licht und Schatten erinnert an die ikonographischen Filme mit Bogart & Co. aus den vierziger Jahren. Der vier Stunden lange Abend wird durch einen gut ausgewählten Soundtrack unterstützt. Auf dieser Ebene betrachtet, funktioniert Hermanis Theaterkunst ausgezeichnet. Die Inszenierung ist stimmig, geschmackvoll und optisch eine Augenweide.
Warum Hermanis mit seinem Projekt auf hohem Niveau scheitert, liegt also nicht an seiner theatralischen Kompetenz, sondern hängt eng mit der Eigenart der schnitzlerschen Ästhetik zusammen. Auf dem Feld der Kunstproduktion ist kaum etwas schwieriger als die Transponierung eines Werks in ein anderes Genre oder gar andere Kunstform. Die Zahl der gescheiterten Literaturverfilmungen sind Legion. Hermanis wagte nun das Experiment einer Verfilmung auf dem Theater samt Genrewechsel. Selbst bei hoher Stoffkompatibilität wäre dies eine enorme Herausforderung gewesen. Mit einem Stück feinziselierter psychologischer Theaterliteratur ist es aber ein Ding der Unmöglichkeit. Hermanis hat nämlich zurecht großen Respekt vor dem Text, was den Abend auch so lang macht. Schnitzler als Film Noir hätte aber nur als radikales Regietheater funktionieren können, was tiefe dramaturgische Eingriffe erfordert hätte.
Schnitzlers Stücke leben von der psychologischen Subtilität, den fein ausbalancierten Dialogen und den vielschichtigen Figuren. Ein überzeugender Film Noir lebt von psychologischer Vereinfachung, prägnanten Dialogen und holzschnittartigen Helden. Ein vierstündiger Film Noir wäre schwer vorstellbar. Ein Übersetzungsversuch vom einen in das andere war selbstverständlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Gutes Theater lebt nun aber vom Experiment. Selbst Geheimrat Goethe hat als Direktor der Weimarer Bühne immer wieder Neues ausprobiert. Hermanis Schnitzler-Inszenierung scheitert, aber sie scheitert auf hohem Niveau. Ein sehenswerter Theaterabend, der zahlreiche ästhetische Reflexionen auslöst.