Herodot: Historien (1)

Einführung von Detlev Fehling
Buch I
dtv Bibliothek der Antike

In die „Historien“ hineingelesen hatte ich schon mehrmals, zu einer Lektüre des Gesamtwerks kam es bis jetzt noch nie. Ein Versäumnis dem ich nun behutsam – also Buch für Buch – abhelfen will.

Die dtv-Ausgabe greift auf die Übersetzung von Walter Marg zurück. Ein Kommentar ist (leider!) nicht vorhanden, dafür eine ausgezeichnete umfangreiche Einführung von Detlev Fehling, der sich teilweise von traditionellen Positionen der Herodot-Forschung verabschiedet. Beispielsweise nimmt er Herodot nicht mehr vor seinen eigenen Fehlern in Schutz und betont die unhistorische Seite des Werks.

Meine von altphilologischen Kenntnissen (leider) ungetrübte Perspektive auf das Buch ist ähnlich: Ich lese es einerseits als Literatur, andererseits als zentrales Dokument in der Geschichte des abendländischen Denkens. Es gibt kaum ein Zeugnis, an dem man die sukzessive Emanzipation vom Mythos zugunsten des rationalen Denkens besser beobachten kann.

Schon im ersten Buch gibt es zahlreiche Beispiele dafür, etwa wenn die mythische Entführung der Io nach Ägypten statt durch göttliche Intervention durch eine Entführung der Phönizier, notorischen Seefahrern, erklärt wird, die Io mit einem Schiff nach Ägypten bringen.

Es finden sich bereits philosophische Reflexionen, die an spätere antike ethische Betrachtungen erinnern, etwa wenn Solon folgendermaßen zitiert wird:

Denn viele Menschen, die gewaltig reich sind, sind unglücklich, vielen aber, die nur mäßig zu leben haben, geht es wohl. Nun hat, wer sehr reich ist, aber unglücklich, zweierlei voraus vor dem, dem es nur wohl geht, dieser aber vor dem Reichen und Unglücklichen vieles.

Als Beispiel für eine frühe rationale Methode, die erstaunlich modern anmutet, sei noch der Orakeltest des Kroisos genannt. Dieser schickt Boten gleichzeitig zu verschiedenen Orakeln, läßt dort anfragen und dokumentieren, was bei ihm in hundert Tagen passieren wird, arrangiert zu diesem Zeitpunkt einen raffinierten Test, und vergleicht dann die Prophezeiungen. Als Sieger des Tests geht selbstverständlich das Orakel in Delphi hervor.

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