Adorno und der “Positivismus”

Adorno genießt wieder zunehmendes Ansehen, was wohl damit zusammenhängt, dass unpräzises Assozieren mit punktueller verbaler Brillanz in hohem Ansehen bei Leuten steht, die nie einen elementaren Logikkurs besuchten.

Unerträgliche Begriffsdehnungen wie ‚Aufklärung‘ in „Dialektik der Aufklärung“, dessen Extension von den Taten des Odysseus bis zu den Konzentrationslagern reicht, führt immer noch zu Bewunderungsausbrüchen anstatt zu Kopfschütteln. Ein besonders gutes Beispiel für mangelnde intellektuelle Redlichkeit ist der sogenannte „Postivismusstreit“, der gegen Karl Popper angestrengt wurde, ohne entweder dessen Theorien nur ansatzweise verstanden zu haben, oder den Begriff ‚Postivismus‘ aus polemischer Absicht völlig sinnleer zu gebrauchen.

Sehr gut fasst Ian Hacking dies in seiner „Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften“ zusammen:

Auf Popper treffen nicht genug der von mir aufgezählten Merkmale […] zu, um ihn einen Positivisten zu nennen. Mit Bezug auf theoretischen Entitäten ist er Realist, und überdies ist er der Meinung, daß sich die Wissenschaft bemüht, Erklärungen und Ursachen ausfindig zu machen. Die fixe Idee der Positivisten, die auf Beobachtungen und ungeschminkte Sinnesdaten aus sind, liegt Popper fern.

Im Gegensatz zu den logischen Positivisten ist er der Ansicht, daß sich die Bedeutungstheorie katastrophal auf die Wissenschaftsphilosophie auswirkt. Freilich, er definiert die Wissenschaft als Klasse überprüfbarer Sätze, doch ist er weit davon entfernt, die Metaphysik zu diffamieren. Vielmehr hält er die unüberprüfbare metaphysische Spekulation für ein erstes Stadium der Aufstellung kühner Mutmaßungen, die einer Prüfung eher zugänglich sind.
[Stuttgart 1996, S. 80]

Diese Ansichten formulierte Popper in sehr stringenten, allgemeinverständlichen Publikationen. War das wirklich so schwer zu verstehen?

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